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Man kann Träume als Ressource nützen

Man kann Träume als Ressource nützen - lebexund.jetzt
AdobeStock/Mariia Korneeva

Wer träumt, wirft unterbewusst einen Blick in seine Psyche. Und dieser kann dabei helfen, sich bewusst weiterzuentwickeln.

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Wir halten nackt Vorträge oder verpassen immer wieder den Lift. Warum wir uns unseren nächtlichen Bildern im Kopf widmen sollten, erklärt Traumforscherin Brigitte Holzinger.

Plötzlich sitzt man wieder bei der Mathematik-Matura, ohne sich vorbereitet zu haben oder man schreibt inmitten seiner damaligen Klassenkollegen einen Test. Warum kommen im Traum oft auch längst abgeschlossene, vergangene Themen wieder hoch?

Brigitte Holzinger: Kulturell haben wir gelernt, dass Träume Schäume sind. Ich sehe das nicht so. Träume sind psychische Vorgänge, die sich mit dem, was man am Tag erlebt hat und dem Innersten wie unseren Wünschen und Gefühlen, befassen. Der Traum ist ein kleines Kunstwerk, das wirkt. Er ist ein Ausdruck der eigenen Fantasiewelt, die man auch fördert, wenn man seine Träume respektiert. Den Traum, den Sie zuvor angesprochen haben, haben viele Leute. Eine denkbare Erklärung dafür wäre: Damals habe ich das auch geschafft. Nun muss ich wieder eine Prüfung bestehen – man bestärkt sich, indem man sagt, dass es damals ja noch viel schwerer war, und das hat man auch geschafft. Man nutzt den Traum als Ressource.

REM-Phase und Non-REM-Phase

Non-REM-Schlaf: Während des Non-REM-Schlafs werden Gedächtnisinhalte, die wir tagsüber im Kurzzeitgedächtnis gespeichert haben, verfestigt und in bereits Erlerntes und in Erinnerungen integriert.

REM-Schlaf: Hier bewegen sich bloß die Augen rasch, während die Muskelspannung auf ein Minimum absinkt. Der REM-Schlaf dient der emotionalen Verarbeitung von Erlebnissen und hat somit regulierenden Einfluss.

In welcher Phase des Schlafs träumen wir?

Bisher wissen wir, dass man bei jemandem, der aus der REM-Schlafphase aufwacht – sie ist für die Verarbeitung von emotionalen Sinneneseindrücken zuständig – zu über 90 Prozent mit einer Traumerinnerung rechnen darf. Auch Albträume, an die man sich ja meistens sehr genau erinnern kann, entspringen einer REM-Phase. Man kann aber nicht ausschließen, dass auch in anderen Schlafstadien Träume oder traumähnliche Vorgänge stattfinden.

Pandemie und Albträume

Die Corona-Krise verfolgt Schlaf- und Traumforschern zufolge viele Menschen auch nachts. Die Pandemie beeinflusst sowohl den Schlafrhythmus als auch den Inhalt von Träumen, wie unter anderem eine Studie aus Finnland belegt, die in der Fachzeitschrift "Frontiers in Psychology" veröffentlicht wurde.

Für die Studie beschrieben mehrere Hundert Freiwillige, die sich Ende April auf einen Zeitungsartikel hin meldeten, dem Forscherteam von der Universität Helsinki den Inhalt ihrer Träume. Verlorene Pässe kamen dort ebenso vor wie Umarmungen, die wegen der Abstandsregeln als Fehlverhalten empfunden wurden.

Über 4000 Finnen beschrieben außerdem, wie sich die Corona-Beschränkungen auf ihren Schlaf auswirkten. Mehr als ein Viertel gab an, häufiger Albträume gehabt zu haben als zuvor. Rund ein Drittel wachte häufiger auf. Andererseits schlief mehr als die Hälfte insgesamt länger. Verallgemeinern kann man die Zahlen der Studie aus Sicht anderer Experten allerdings nicht. 

Die Zahlen der Studie zu Albträumen kämen ihr "sehr, sehr hoch" vor, sagte die Wiener Psychologin und Traumforscherin Brigitte Holzinger. "Aber tendenziell würde man das erwarten und das würde sich auch mit unseren Beobachtungen decken."

In vielen Fällen weiß man nur, dass man etwas geträumt hat, kann sich aber nicht mehr erinnern. Wovon hängt es ab, ob wir uns erinnern?

Alles, was im Schlaf passiert, geschieht, um das Gedächtnis zu reparieren und zu erneuern. Eine Erklärung könnte sein, dass das Gedächtnis selbst daher währenddessen auch weniger gut funktioniert. Es ist normal, sich nicht an Träume zu erinnern. In manchen Situationen gibt es aber anscheinend fließende Übergänge. Daher kann man sich zeitweise erinnern. Oder aber, der Traum war besonders intensiv, wie ein Albtraum oder, wenn man direkt daraus mit einem ganz starken Gefühl aufwacht. Einem Glücksgefühl beispielsweise.

Luzides Träumen

Luzides Träumen ist die Fähigkeit, sich im Traum bewusst zu werden, dass das ein Traum ist - und den Traum dann zu verändern. Damit kann man zum Beispiel wiederkehrende Albträume steuern. Das luzide Träumen kann aber auch bestimmte Leistungen verbessern: Golfer können sich zum Beispiel vornehmen, im Traum Golf zu spielen, und dann ihren Schwung verbessern. Forschungen zeigen, dass das wirklich Effekte hat. Hier besteht natürlich die Gefahr, diese Möglichkeiten auszubeuten.

Adobe Stock

Teilt die Forschung Träume in verschiedene Kategorien ein?

Das ist nicht so leicht zu beantworten. Es kommt darauf an, mit welcher Brille man darauf schaut – mit der therapeutischen oder der wissenschaftlichen. Kollegen, die sich mit Albtraum-Forschung befassen, teilen alleine schon Albträume in sieben verschiedene Kategorien ein. Unter anderem, der Traum, der unangenehm ist, der quälend ist oder der posttraumatische Albtraum. Es gibt aber auch luzide Träume, wenn man sich im Traum des Traums bewusst ist. Man kann sie aber auch nach Inhalten einstufen. Eine Einteilung ist schwer, das wäre wie zu sagen: Wie kann ich denn meine Gedanken einteilen? Träume sind so vielfältig, sie sind ein Ausdruck der psychischen und körperlichen Verfassung einer Person.

Wann sollte man sich genauer mit seinen Träumen auseinandersetzen?

Zum Beispiel, wenn man sich persönlich weiterentwickeln will. Sich mit seinen Träumen zu beschäftigen, ist wertvoll für die Psychohygiene und hilft bei der innerlichen Entwicklung. Jemand, der kreativ ist, wird vielleicht kreative Anregung in seinen Träumen suchen und kann sie auch finden. Ein Schauspieler träumt von der Rolle, um sie besser zu erfüllen. Ein Wissenschaftler träumt vielleicht vom Molekül, um es besser zu verstehen. Andere wollen vielleicht Bewegungsabläufe trainieren, es ist eine Art mentales Training. Wir träumen von Dingen, die uns beschäftigen.

Zahlt es sich aus, Träume niederzuschreiben?

Ja, wenn man in einer Phase seines Lebens ist, in der man die Zeit und auch einen Grund dazu hat. Man nennt den Traum ja auch die andere Seite des Bewusstseins. Wenn man diese andere Seite auch ein bisschen mehr erkunden möchte, dann sollte man seine Träume aufschreiben. Aber auch, wenn man sich mehr an seine Träume erinnern möchte. Träume befördern Erinnerungen zutage, die man vergessen hat. Wenn man sie aufschreibt, fällt es einem auch wieder ein. Man kann sich auf diese Weise auch auf die Suche nach der Wirkung des Traums begeben. Es ist wie bei einem Kunstwerk, wenn man sich darauf einlässt, dann spürt man auch, worum es geht. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte.

Wurde während der Pandemie denn mehr geträumt?

Ich denke, dass mehr geträumt wurde, weil wir mehr schlafen oder schlechter schlafen und mehr aufwachen. Und, weil wir gezwungen sind, uns mehr mit uns selbst zu beschäftigen. Wir sind etwas verinnerlichter als sonst.

Wann sollte man mit seinen Träumen zum Experten gehen?

Wenn man zwei bis dreimal in der Woche Albträume erleidet und den Schlaf deswegen vermeidet. Dann würde ich auf alle Fälle einen Profi aufsuchen.

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Quelle: Kleine Zeitung/Redaktion/Carmen Oster

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